• Dezember 2019

DIE CAMPAGNOLO-SCHALTUNG

Mechanik statt Elektronik

Das Geniale an der Erfindung des Velos ist bekanntlich seine Einfachheit. Trotzdem wird diese Erfindung immer weiter verfeinert, auch heute noch. Jahr für Jahr kommen Innovationen auf den Markt. Manche dieser Innovationen sind erstaunlicherweise nicht bloss Marketinggedröhne, sondern tatsächliche Verbesserungen. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war 2018 die Einführung der Zwölffach-Rennradschaltung des italienischen Herstellers Campagnolo. Man hat nun also ein zwölffaches Ritzel am Hinterrad, vorne wie gehabt zwei Kettenblätter, macht total vierundzwanzig Gänge. Und nicht nur aus ästhetischer Sicht ist diese Innovation von Campagnolo den Schaltgruppen der anderen Anbieter überlegen, auch vom Schaltgefühl her bietet das Produkt aus Vicenza Perfektion. Der Schaltvorgang läuft geschmeidiger denn je. So kommt man ohne Mühe über jeden Berg.

Rennradfahrerinnen und -fahrer lieben nur etwas noch mehr, als mit dem Velo durch die Landschaft zu fahren, nämlich: über Velos und deren Komponenten zu reden. «Techtalk» nennt man das. Und ich kann schon einige ausrufen hören: «Die Zwölffachschaltung? So ein Blödsinn! Die geilste Innovation der letzten Jahre war doch die kabellose elektronische Schaltung des US-amerikanischen Herstellers Sram, die im Frühling 2016 auf den Markt kam!» Dem möchte ich jedoch widersprechen. Von einem technokratischen Standpunkt aus gesehen, mag dem zwar so sein, doch emotional, philosophisch und ästhetisch betrachtet, sieht die Sache anders aus. Die italienische Eleganz etwa steht in krassem Kontrast zum technoiden Design der Amerikaner. Die Perfektionierung des Bewährten, die liebevolle Pflege des Bestehenden, das Fortführen der Tradition in die Zukunft – das ist für mich das Grossartige. Eine kabellose elektronische Schaltung? Tipptopp, wenn man gerne kleine Elektromotoren surren hört. Aber mit der mechanischen Variante muss ich niemals überlegen, ob der Akku noch genügend Saft hat. Es funktioniert einfach. Ohne Strom. Aber perfekt. Was für eine Musik! Die sirrende Kette, die greifenden Zähne, das mechanische Klicken der Hebel, die Leichtigkeit, mit der die Dinge funktionieren. So muss es sein. Denn darum geht es beim Rennvelofahren: nicht nachdenken zu müssen, sondern sorglos glücklich zu sein, unterwegs auf diesem genial einfachen Ding, das einfach genial ist, zweimal zwölffach genial, um genau zu sein, also vierundzwanzigfach.