Lieber Yann Sommer
mein Alltag besteht aus Arbeit im Büro, wo ich meine Hände bloss dazu verwenden kann, auf dem Keyboard des Computers herumzudrücken, ab und an an der Nase zu kratzen oder Blätter zu zerknüllen. Deshalb brauche ich einen Ausgleich – und tue in meiner Freizeit gern Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Unlängst griff ich mit einer meiner beiden linken Hände eine Säge, mit der anderen einen Arm voll Dachlatten, einen Akkuschrauber, ein paar Dutzend Schrauben – und wenig später hatte ich einen Stuhl. Ja, einen richtigen Stuhl.
Das heimische Werken ist eine wunderbare Sache: Dinge zu bauen! Mit den eigenen Händen! Ohne Plan! Nur schon eine Dachlatte in zwei Stücke zu sägen, erfüllt mich mit grosser Genugtuung. Zu hören, wie die stählernen Zähne der Säge sich durch das harte Holz fressen, das faserige Mehl der Latte rieseln zu sehen, der xylophonerne Klang, wenn das Holzstück – «kling, klong» – zu Boden fällt. Und dann das Heulen des Akkuschraubers, das zarte Knarzen, wenn die Schraube sich bis zum Kopf im Holz versenkt. Es gibt keine schönere Musik.
Der von mir gebaute Stuhl hat zwar die Eleganz einer Hyäne, und wenn man sich draufsetzt, dann wackelt die Welt, als wäre man Donald Trump. Trotzdem aber war ich so stolz, dass ich den Stuhl fotografierte und sogleich auf meiner Instagram-Seite präsentierte, ganz so, als wäre er ein Neugeborenes und ich der stolze Vater, was im Grunde ja auch der Fall war. Es dauerte nicht lange, da kommentierte ein befreundeter Möbelhändler den Stuhl. Er schrieb: «Überlasse so was doch den Profis... wir schreiben auch keine Bücher»
Der Kommentar machte mich ziemlich sauer: Schnell griff ich den Werkzeugkasten, die Säge sang erneut ihre kurzen Lieder, und dieses Mal kamen zu den Schrauben noch an die hundert Nägel, die ich mit grosser Freude und einem schweren Hammer in die gehobelte Fichte trieb. Der zweite Stuhl war noch schöner als der Erstling, bald schon waren sie dann zu dritt – wären mir nicht die Dachlatten ausgegangen, hätte es abends fürs Abendmahl gereicht.
Nun habe ich gelesen, dass Sie, lieber Herr Sommer, nicht nur ein Toptorwart aus der Bundesliga sind, x-facher Meister mit dem FCB, Nationalspieler, sondern auch junge Männer in allen Lebensfragen beraten, ganz in der Tradition von Dr. Sommer in der «Bravo», jedoch im Dienste eines Kosmetikherstellers, der weiss, dass junge Männer nicht nur Deo-Roll-ons und After-Shave-Balsame brauchen, sondern dann und wann auch einen Tiegel Weisheit. Ein gewisser Alex schrieb Ihnen: «Ich brauche mehr Selbstbewusstsein.» Ihre Antwort war so präzis und knapp wie ein Kurzpass: «Konzentrier dich auf deine Stärken, dann wird jede Situation zu einem Heimspiel.» Ein gewisser Fabio wollte wissen: «Wie komme ich bei Frauen an, Yann?» Ihre Rückäusserung glich einem weiten Auskick: «Lieber Fabio, wenn ich im Sport etwas gelernt habe, dann das: Fokussieren! Bei allen Frauen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, ist praktisch unmöglich. Ich hechte ja auch nicht einem Schuss nach, der meilenweit daneben geht. Aber hält man einen schönen Ball – bitte keine kindischen Witze hier –, möchte man diesen auch nicht so schnell wieder loslassen.» Und dann kommt es: «Ist sie sportbegeistert? Geh mit ihr trainieren! Ist sie eine Geniesserin? Koch etwas Feines für sie! Steht sie auf Fussball? Geh mit ihr ins Stadion! Ist sie intellektuell? Lass dir Buchtipps geben!» Und: «Bleib optimistisch, und behandle Frauen mit Respekt.»
Ja. Voll. Ich meine: Viel besser als das Gegenteil oder «behandle Frauen wie Speck», nein: Frauen mit Respekt behandeln. Das ist echt ein versenkter Penalty von einem Ratschlag!
Ich finde, Ihre Lebensberatertipps und meine selbst gebauten Möbel, die sind irgendwie seelenverwandt. Und sie wären ein ziemlich gutes Team. Ich denke, die könnten zusammen die Weltmeisterschaft gewinnen. Oder Zweiter werden mindestens.
Mit sportlichen Grüssen, Max Küng
PS: Song zum Thema: «Lust for Life» von The Girls vom Album mit dem schönen Titel «Album», 2009.