Wurlitzer
Sofort erklärte ich mich bereit, das Wurlitzer Piano eines Freundes bei mir überwintern zu lassen, weil es in seinem Keller zu feucht ist. Leider kann ich nicht spielen. Trotzdem hocke ich manchmal am Instrument und drücke ein paar Tasten. Ich finde, es klingt phantastisch.
Eine Kolumne, welche ich für das Programmheft des Sinfonieorchesters Basel geschriebene habe:
Vom Speuzbengel und der Schreibmaschine
Es ist ungeklärt, wem wir das Zitat zu verdanken haben. Manche meinen, es stamme von Frank Zappa. Wiederum andere behaupten, es sei von Thelonius Monk. Nochmals andere sind fest davon überzeugt, dass der Komiker (und Sänger) Steve Martin den Satz als erster gedacht und gesagt habe. Oder ist er doch von Laurie Anderson? Oder Martin Mull? Elvis Costello? Clara Schumann? Miles Davis? George Carlin? Die Liste der Verdächtigen, sie ist lang. Aber eigentlich ist es ja egal, wer es gesagt hat. Wichtig ist, was gesagt wurde. Und gesagt (oder geschrieben) wurde dies: „Writing about music is like dancing about architecture.“ Das Schreiben über Musik also verhalte sich wie das Tanzen zu Architektur.
Es gibt Nachforschungen, welche das Zitat ins Jahr 1979 zurückverfolgen können, ohne jedoch die wahre Quelle zu klären. Allerdings gibt es noch ein älteres Zitat ähnlicher Natur, welches aus dem Jahr 1918 stammt und in der Zeitschrift „New Republic“ gefunden wurde: „Strictly considered, writing about music is as illogical as singing about economics.“
Egal, ob es sich nun wie das Tanzen zu Architektur, das Singen über die aktuelle Wirtschaftslage oder das Steppen zu Tierversuchen in der chemischen Forschung verhält: Die Problematik des Schreibens über Musik ist eine sehr, sehr alte und wohl bekannte Angelegenheit. Und eine und ein jeder, welcher sein Geld mit dem Schreiben von Worten verdient und in der Ausübung ihres oder seines Berufes schon mit Musik zu tun hatte, die oder der weiss darum.
Es gibt nicht viele Dinge, die ich heute - auf der Schwelle zum alten Mann stehend - rückblickend bereue, eines davon aber ist, dass ich niemals ein Instrument gelernt habe. Ich war leider einfach absolut untalentiert und die Blockflötenlehrerin in der Primarschule meinte, das Geld für den Unterricht könne man getrost sparen und anderweitig besser einsetzen, etwa für warme Wollpullover oder Zahnspangen. Also lernte ich nie Klavier oder Gitarre, nie Zither, nie Harfe. Damals war ich froh, denn der Unterricht war mir zuwider und es ekelte mich vor dem Instrument, welches nur Speuzbengel genannt wurde (aus guten Gründen, denn tatsächlich tropfte aus dem vorderen Loch der Speichelsaft stets auf das Notenpapier). Heute tut es mir einfach nur leid, dass man damals nicht strenger mit mir gewesen war. Denn ich denke, nein: Ich bin davon überzeugt: Sogar mit einer Blockflöte kann man sich schöner, besser und eleganter ausdrücken als mit den 70'000 Worten des zentralen Wortschatzes. Denn die Worte, sie genügen nie.
In meiner Plattensammlung findet sich eine Scheibe von George Fleury, dem grandiosen Komponisten und Tastenvirtuose aus der Region („Road to Happyland“), einst Leiter des Hammond-Engros-Geschäft von Musik Hug, später langjähriger Yamaha-Markenbotschafter. Auf der Hülle fand ich hinten drauf eine Signatur und eine handschriftliche Notiz von Fleury: „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“. Recht hat er.
Der Rest ist hören.
Max Küng