• November 2024

SUBARUS DER LÜFTE

«Zum Kuckuck», dachte ich, «das kommt mir spanisch vor!» Ich las gerade über einen Vogel namens Vierflügelkuckuck – bis dahin hatte ich nichts gewusst von Vögeln mit vier Flügeln. Nur mit Mühe konnte ich mir dieses Tier bildlich vorstellen. Vier Flügel! Dann aber dachte ich, dass ein vierflügeliger Vogel durchaus Sinn macht, etwa im Kanton Graubünden, denn dort sind alle mit Vierradantrieb unterwegs, warum also nicht auch die Vögel, quasi als Subarus der Lüfte?

Doch ich las weiter, dass der Vierflügelkuckuck nur in Mittel- und Südamerika heimisch ist, in Venezuela etwa. Dort heisst er «El Saucé». Seines Namens wegen war ich überhaupt über das Tier gestolpert – ich muss dazu etwas ausholen: Per Telefon bekam ich eine Einladung zu einer Lesung. Die Verbindung war schlecht, ich verstand «El Sau», dort sei diese Lesung – und dachte sofort erfreut, dies müsse in Spanien sein, denn bei El Sau kam mir subito Spanien in den Sinn und der Schinken der schwarzfüssigen Schweine, die in Eichelhainen hausen.

Also googelte ich, merkte aber schnell: Es gibt in Spanien keinen Ort namens El Sau, bloss einen Stausee, den Pantà de Sau, der für die Wasserversorgung des Gebiets Katalonien von Wichtigkeit ist. Dafür wurde einst die Ortschaft Sant Romà de Sau geflutet, der Kirchturm ragt noch heute aus dem künstlichen Gewässer, es ist eindrücklich anzusehen.

Selbstverständlich hatte mein verfressenes Gehirn mir einen Assoziationsstreich gespielt. Ich hatte mich schlicht verhört. Es war am Telefon nicht von «El Sau» in Spanien die Rede, sondern von «Elsau» bei Winterthur, eine Gemeinde mit 3757 Seelen, 230 Firmen und 35 Vereinen. In Elsau war ich noch nie gewesen, bloss einmal durchgefahren, mit dem Velo (siehe Kolumne in N°22/22: «Liebe Therese Schläpfer»). Aber ich war froh, nicht nach Spanien fahren zumüssen für eine Lesung, dies hätte sicher zu einigen Verständigungsproblemen geführt. Ausserdem war die Reise nach Elsau deutlich kürzer und umweltfreundlicher.

Apropos Umwelt und Vierflügelkuckuck: Man denkt ja immer, Vögel seien noble Lebewesen, weil sie so schöne Federn haben und besser singen können als man selbst, dabei sind sie von ausgewählter Perfidität und äusserst brutal. Der Vierflügelkuckuck etwa ist ein Brutparasit. Er raubt die kunstvoll aus Lehm gefertigten Behausungen von Töpfervögeln. Deren Nachwuchs wird totgepickt und aus dem Nest geworfen, das Kuckucksei wird gelegt – und am Ende ist das geschlüpfte Kuckuckskind so dick gemästet, dass es das irdene Nest zerstören muss, um herauszukommen. Fiese Vögel!

Deshalb ja auch die Redewendung «zum Kuckuck»: Er ist dabei bloss Stellvertreter für eine tiefere Macht, man spricht vom Vogel, wenn man den Teufel nicht beim Namen nennen will. Was ich auch noch las: Der Bestand des Vierflügelkuckucks wird von der Weltnaturschutzunion IUCN auf 500’000 bis 4’999’999 Individuen geschätzt. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie man auf so eine Schätzung kommt. 500’000 bis 4’999’999 scheint mir recht ungenau – und doch auch seltsam präzis. Jedenfalls merkte ich es mir für mein nächstes Einstellungsgespräch; wenn ich da gefragt werde, wie viel ich verdienen wolle, sage ich: «500’000 bis 4’999’999.»

Über den Ort Elsau kann ich nicht viel sagen, es war dunkel, als ich ankam, und ebenso, als ich wieder ging, aber die Menschen scheinen sehr nett zu sein. Und im Beizli neben der Bibliothek gibts einen ausgesprochen feinen Sauvignon blanc von Nadine Saxer aus Neftenbach sowie Flammkuchen in drei Varianten; auch mit Speck von der Sau.