• Januar 2025

SCHNITZEL BY SCHNITZEL

Jedes Jahr nehme ich mir fest vor, dass die erste Kolumne des Jahres nicht von Vorsätzen für das neue Jahr handelt. Denn diese Thematik ist – so hehr sie daher­kommen mag – verbraucht und langweilig, ja so richtig abgeschmackt. Aber wie es eben so ist mit den lieben guten Vorsätzen: Man hält sie nicht ein. Weil man nicht kann. Die Macht der Gewohnheit ist stärker.

Im vergangenen Jahr hiess mein guter Vorsatz «100 Tage ohne Alkohol», also quasi «Dry January XXL». Die inneren Organe jubilierten, und obwohl sich bald einmal eine gewisse Harzigkeit in gesell­schaft­lichen Belangen bemerkbar machte, stellten die hundert Tage kein gröberes Problem dar. Dieses Jahr ist der Vorsatz leicht anders gelagert. Er heisst: Cordon-bleu-Kombi­natorik. Und dafür geht es in den Zürcher Kreis 5, einst ein Indus­trie­quartier, heute ein vollgen­tri­fi­ziertes urbanes Zentrum mit breitem Freizeit­be­frie­di­gungs­angebot.

Doch man findet auch dort noch Anlauf­stellen für nostal­gische Reisen in die Vergan­genheit. Eine Beiz etwa, holzge­täfelt, die Tische mit Menagen bestückt, sie heisst Eisenhof. Während in der näheren Nachbar­schaft das Zeitge­nös­sische spriesst, Veganes und Vietna­me­sisches, ist der Eisenhof über die Dekaden hinweg stabil geblieben wie handge­schmiedeter Messerstahl. Auf der Karte findet sich denn auch das Cordon bleu in elf Varianten mit Fleisch (plus eine vegeta­rische); vom Klassiker, gestopft mit Schinken und der heiligen Käsedrei­fal­tigkeit (Tilsiter, Appen­zeller, Greyerzer), bis zum die Sommer­fe­ri­en­sehnsucht sätti­genden Modell «Greece» mit Feigen-Feta-Füllung – eine Dubai-Version fehlt glück­li­cherweise noch.

Das Cordon bleu ist grund­sätzlich eine der besten Erfin­dungen überhaupt. Es kombiniert alles, was beim Essen Spass macht: Knusp­rigkeit, Zartheit, Fettigkeit und Würze – zudem bietet es ein wunderbar befrie­di­gendes Aha-Erlebnis, wenn man einem Chirurgen/ einer Chirurgin gleich das Ding anschneidet und der Käse herausläuft. Und wo geschmolzener Käse fliesst, da rinnt der Speichel, da saftet das Herz. Das Cordon bleu im Eisenhof löst alles ein, was man sich von einem Cordon bleu nur wünschen kann. Deshalb fasste ich, noch bevor ich es gänzlich verputzt hatte, meinen neuen Neujahrs­vorsatz: Alle Cordon bleus im Eisenhof durch­pro­bieren. Natürlich nicht aufs Mal! Sondern schön gemütlich, Schnitzel by Schnitzel. In zwölf Tagen hätte ich es geschafft – jedoch bloss mit der Standard­beilage Pommes. Und dies bringt mich zum schönsten «Wort des Jahres» bis dato. Denn selbst­ver­ständlich kann man statt Pommes auch andere Beilagen ordern, allerdings mit Aufschlag. «Beila­gen­än­de­rungs­aufpreis» heisst dies auf der Speisekarte. Ein Wort, welches auf der Zunge zergeht wie ein Schnäfel Rindsfilet vom heissen Stein. Ein Wort, welches ein Denkmal verdient.

Nun, es existieren acht offizielle Alter­na­tiv­beilagen; würde ich also die Cordons bleus nach den Pommes auch mit jeweils einer anderen Beilage kombi­nieren, mal mit grünem Salat, mal mit Rösti, wäre ich nach hundertacht Tagen an meinem Ziel. Doch so ein Cordon bleu macht durstig. Es muss dazu auch etwas getrunken werden. Kombi­nierte ich folglich all diese Kombi­na­tionen auch noch mit einem immer anderen Getränk, mal Cola, mal Hürlimann, mal Weissen von Nadine Saxer, hätte ich das ganze Jahr über und wohl darüber hinaus zu tun. Und ich wüsste sicherlich auch bald, was mein Vorsatz für das Jahr 2026 sein würde – so ich denn überhaupt noch in der Lage sein werde, dann irgend­welche Vorsätze ins Auge oder Maul zu fassen.