• Juni 2017

Lieber Erich von Däniken

zuerst: Als Sie in einem Interview einmal nach Ihrem Lieblingsrestaurant gefragt wurden, da antworteten Sie: «Pianobars.» Das war, fand ich, eine sehr schöne Antwort. Und dass Sie 63 Millionen Bücher verkauft haben, weltweit, das lässt mich immer wieder vor Neid grün werden wie ein ebensolches Männchen aus dem fernen Triangulumnebel. 63 Millionen! Chapeau! Bücher können Sie schreiben, etwas weniger Glück hatten Sie mit den wenigen Worten, welche Sie unlängst auf Twitter veröffentlichten, anlässlich des Pride Festivals in Zürich, nämlich: «Überall Festivals für Homos, Lesben etc. Nichts dagegen. Aber gibts eigentlich auch noch Festivals, an denen sich Normale zeigen dürfen?»

Nun ist es schon mal amüsant, dass Sie sich selbst als «normal» bezeichnen, denn Ihre Theorien sind ja doch etwas abgefahren. Ein Freund meinte gar, Ausserirdische hätten Ihr Gehirn gegen einen Fidget Spinner ausgetauscht. Vor allem kam mir etwas in den Sinn: Vor Lichtjahren las ich im «SonntagsBlick» einen Artikel über Sie, er trug einen (für die Boulevardpresse typischen) Honi-soit-qui-mal-y-pensezwinkerzwinker-Titel: «Tomy hat auch meine Frau begeistert». In diesem Artikel erzählten Sie von einer archäologischen Reise durch die heisse Wüste im Grenzgebiet zwischen Iran und Pakistan – und Ihrem Geständnis, eine Weile mit einem Mann zusammengelebt zu haben. Der Wüstenstrich dort wird Belutschistan genannt, dort leben die Belutschen, die belutschisch reden. In einer heissen, sternenklaren Wüstennacht sei es geschehen, im Spätsommer des Jahres 1987, sie schliefen fest, doch: «Plötzlich knallte es, ich erwachte abrupt. Ein Blitz, die Trinkwassertanks neben mir rissen. In die ausströmende Flüssigkeit hinein materialisierte sich ein Mensch. Aus Fleisch und Blut. Direkt vor meinen Augen!»
Die Morgendämmerung sei gerade angebrochen, steif vor Schreck stellten Sie fest: Die Erscheinung war nackt, zudem eine exakte Kopie Ihrer selbst als 22-Jähriger. «Ich nannte ihn spontan Tomy.» Im Artikel stand: «Der Bestsellerautor bebt noch heute, wenn er sagt: ‹Ich hatte extrem Angst, zitterte minutenlang am ganzen Körper, dachte sogar, ich werde schizophren.›» Was nur verständlich gewesen wäre, denn so was erlebt man ja nicht alle Tage.
Das Wesen habe Sie jedoch beruhigt, habe sich gesprächig gezeigt, es sei in Frieden gekommen. «Tomy sagte in perfektem Schweizerdeutsch, er komme von einem Planeten des Vegasystems». Seine Heimat sei ein Ort der Körperlosen, die einzige Lebensform seien «intelligente Energien». Sie gaben ihm Kleidung und reisten fortan zusammen durch Belutschistan und weiter in den Iran hinein. «Er wich während der ganzen Expedition nicht von meiner Seite. Wir haben Dörfer und Städte am Golf von Oman besucht, sind gewandert, diskutierten stundenlang. Leider gab mir Tomy viele Informationen, die ich nicht verstand.»
Dann verspürten Sie das Bedürfnis, Tomy auch Ihre schöne Heimat zeigen zu wollen. Verständlich! Doch wie bringt man einen Jüngling aus Belutschistan ohne Papiere in die Schweiz? Ganz einfach: Tomy drang in Sie ein, reiste in Ihrem Körper ins Land. «Wie er mich übernahm, war die genialste Erfahrung meines Lebens. Mich überschwemmten Wogen von Glück, die mit normalen Sinnen nicht nachfühlbar sind.» Daheim habe er auch Ihre Frau verzückt. Dann das traurige Ende. «Tomy wollte einfach wieder heim. Er wisse jetzt genug über die Menschen. Das Einzige, was blieb, war eine Wasserlache im Garten meiner damaligen Villa Serdang in Solothurn.»
Damals dachte ich: «Freaky Banana! Das ist ja wohl das coolste, herzzerreissenste, genialste und rührendste Coming-out, von dem ich je gehört habe.» Zudem eine ziemlich verrückte Schlepperstory. Ich dachte immer, was ich dachte – bis nun eben zu jenem Getwitter über Normale und Unnormale. Und da stellen sich mir ein paar Fragen: Hat Tomy nie mehr angerufen? Keine Postkarte aus dem Vegasystem? Und wenn nicht: warum? Und weshalb nannten Sie ihn eigentlich Tomy? Dachten Sie spontan an eine Tube Mayonnaise? Fragen über Fragen.


Mit interstellaren Grüssen, Max Küng


PS: Zwei Songs zum Thema, beide von Andreas Dorau: «Grosser Bär – kleiner Bär», 1983; «Fred vom Jupiter», 1981.