• Mai 2022

LIEBER MAX KÜNG …

In der letzten «Magazin»-Ausgabe schrieben Sie, Saab würde nur noch Kampfflugzeuge herstellen. Diese Aussage ist nicht falsch, aber auch nicht richtig. Bezüglich Flugzeuge ist der Sachverhalt korrekt. Da gibts aus Schweden nur noch den mannigfaltig bombenbestückten Gripen.

Auch Autos stellen sie ja in Trollhättan schon länger nicht mehr her, leider; ich selbst fuhr einen Saab, bis es den Turbolader lupfte, einen 9-5 Aero Kombi, best car ever, wie der/die Amerikaner:in sagen würde, obwohl der/die das niemals sagen würde, denn in Amerika drüben fuhr man noch nie gerne Kombis, schon gar nicht solche von Saab, das merkte auch der geniale Schriftsteller Kurt Vonnegut («Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug», ein sagenhaft komisches, aber vor allem auch trauriges Buch über den Krieg … könnte man auch wieder mal lesen … ), der im Nebenberuf eine Saab-Vertretung auf Cape Cod unterhielt. Allerdings liefen die Geschäfte mit den schwedischen Autos nicht besonders gut. Er versagte als Autoverkäufer, was Vonnegut später als (nicht ernst gemeinten) Grund anführte, weshalb er von den Schweden niemals den Nobelpreis für Literatur erhielt.

Wie gesagt: Saab 9-5 Aero! Best car ever, obwohl Spitzfindige nun einwenden könnten: «Und warum ging er dann kaputt, wenn er sooo gut gewesen sein soll?» Nun, ich jedenfalls vermisse meinen 9-5er, aber darum geht es hier ja nicht, sondern darum, was Saab heute noch alles baut, abgesehen von Kampfflugzeugen. Zum Beispiel schmieden sie handliche Waffen und haben ein Panzerabwehrsystem entwickelt. Es trägt den Namen «NLAW». Rüstungskonzerne lieben Akronyme (Saab hat allerdings auch eine Bazooka mit dem klangvollen Namen «Carl-Gustaf» im Programm).

NLAW steht für «Next Generation Light Anti-Tank Weapon». Ein mobiles System. 12,5 Kilo schwer. Man feuert es geschultert ab. Reichweite bis 800 Meter. Damit knackt man Panzer, Saab schreibt: «The ultimate tank killer». Auch die Schweizer Armee hat diese Waffe seit 2017 in ihrem Requisitenschrank. Zudem: Der Gefechtskopf ist swiss made, stammt aus der Saab-Filiale im beschaulichen Thun.

Aktuell werden mit diesen Dingern russische Panzer in der Ukraine in die Luft gejagt. Die ukrainischen NLAWs sind Geschenke aus Grossbritannien. Expert:innen meinen, diese Waffen von Saab seien im besonderen Masse dafür mitverantwortlich, dass der Einmarsch der Russ:innen nicht so lief, wie die Russ:innen sich dies gedacht hatten, die Verluste von Panzern seien signifikant. Denn die NLAW sei äusserst effektiv dank dem sogenannten Overfly Top Attack Mode.

Dabei wird nicht direkt auf das Objekt gefeuert, der Gefechtskopf wird rund einen Meter über dem Ziel mit einer zum Boden gerichteten Ladung gezündet. Der durch die Hohlladung gebildete Stachel durchschlägt die Panzerung sodann von oben, wo der Kampfpanzer traditionellerweise am empfindlichsten ist. Eigentlich, so denkt man, sind Waffen böse. Sie töten Menschen. Aber in diesem Fall sind sie gut. Wenigstens aus Sicht der Verteidiger:innen. Die NLAWs beschützen Menschen, indem sie Menschen töten, die die Absicht haben, Menschen zu töten, zu erschiessen, zu massakrieren.

Wie gesagt, lieber Herr Küng: Ihre Aussage bezüglich Saab war weder falsch noch richtig – so wie vieles auf dieser Welt weder gänzlich falsch oder richtig ist. Was man hingegen klar sagen kann: Alles ist kompliziert – es ist zum Verzweifeln.

Mit haareraufenden Grüssen: Max Küng