• Oktober 2023

LIEBER FCB, ICH LIEBE DICH, ABER BITTE STEIG AB!

Eigentlich seltsam, dass ich mich für Fussball interessierte, weil: Ich litt als Kind doch sehr unter diesem Sport. Fussballspielen war das Wichtigste, dort, wo ich aufwuchs, gleich nach dem Nationalturnen und knapp vor dem Töfflifrisieren. Wer darin nicht gut war, hatte keine Existenzberechtigung. Leider war ich die totale Fussballpfeife und wurde jeweils der Mannschaft zugeteilt, die gefühlt stärker war, als Leistungsausgleich. Trotzdem hat mich Fussball immer interessiert, und ich schaue die Spiele, meist am TV, auch wenn die Qualität der hiesigen Liga ja nicht immerzu Premium ist. So sah ich auch das Match meines Vereins gegen den Aufsteiger aus Lausanne-Ouchy, vor zwei Wochen. Es war ein 1-a-Debakel, welches den eh schon torkelnden Klub noch tiefer in den Abwärtsstrudel schob.

Der Verein meines Herzens ist der FC Basel. Ich kann nichts dafür. Das ist wie mit der Familie: Man kann sich das nicht aussuchen. Man wächst damit auf, und die Beziehung ist lebenslänglich, nur der grösste Charakterlump kann zu Lebzeiten seinen Herzensverein wechseln. Dabei war der FCB gar nicht so beliebt auf dem Land, damals, als die kindliche Klubliebe kalibriert wurde, denn man hegte Misstrauen gegenüber der Stadt. Nun ja, eigentlich hegte man Misstrauen gegenüber allem, was ausserhalb des Gemeindebanns lag, den man vorsichtshalber einmal im Jahr abschritt, um zu sehen, ob die Grenzsteine noch dort waren, wo sie sein sollten. Die meisten meiner Schulkameraden waren GC-Fans. Dies aus einem ganz einfachen Grund: Die Grasshoppers waren – ich weiss, es klingt aus heutiger Sicht unglaublich und bizarr – eine erfolgreiche Mannschaft mit enormer Strahlkraft.

Basel war mein Verein, die Sache war klar. Und als für den FCB der Abstieg und die Zeit in der Nati B kam, ging ich trotzdem an die Spiele im Joggeli, weil: Für einen Fan ist ein Klub in der Misere ja das Allerschönste. Nicht von ungefähr heisst Leidenschaft ja Leidenschaft.

Ein Sieg ist eine tolle Sache – aber die Niederlage hat ihre eigene Schönheit, in ihr liegen Hoffnung und Glaube, wohingegen das stete Eilen von Erfolg zu Erfolg satt und auf eine blöde Art zufrieden macht. Nicht selten fehlt im Sieg die Demut.

Fan eines kriselnden Klubs zu sein, ist die edelste Form der Anhängerschaft – und so blieb ich dem FCB treu, auch in den sechs Jahren in der Nati B. Dann kam die Auferstehung, der Wiederaufstieg, die Konsolidierung, das neue Stadion, die Euphorie, der erste Meistertitel nach zweiundzwanzig Jahren, der Auftritt auf der internationalen Bühne. Ich denke gerne an den Abend im August des Jahres 2002 zurück: Giménez traf in der achten Minute, Murat Yakin in der zweiundzwanzigsten, Celtic Glasgow wurde bezwungen, und die Türe zur Champions League schwang auf, eine neue Zeit brach an.

Wenn der FCB Ende Saison absteigen sollte, dann ändert dies für mich nichts. Ich werde ihn weiter in meinem Herzen tragen. Und ich erinnere mich daran, als der FC Zürich runtermusste, Ende Saison 16/17. Damals empfand ich weder Spott noch Schadenfreude für die Zürcher, auch kein Mitleid, sondern etwas anderes: so etwas wie leisen Neid. Denn bei einem Abstieg kann man sich als Fan beweisen. Ein Abstieg verlangt einem Anhänger alles ab. Damals überkam mich eine diffuse, seltsame und paradoxe Sehnsucht nach miesen Zeiten.

Aber jetzt sind die miesen auch für die FCB-Fans wieder da. In all ihrer schrecklich schillernden Schönheit.

Ich für meinen Teil bin bereit, alles zu ertragen.