LIEBE THERESE SCHLÄPFER
Ich war bis vor kurzem noch niemals in Hagenbuch ZH, und vielleicht wäre dem auch so geblieben, doch dann hörte ich Sie im Radio, es ging um Politik, genauer: um die von Bürgerlichen eingereichte Motion, dass das Velofahren in Zukunft mit einer Steuer zu belegen sei, zwanzig bis vierzig Franken pro Velo. Sie sind als SVP-Nationalrätin für eine solche Steuer. Es hat mich doch etwas überrascht, dass die SVP nun plötzlich für zusätzliche Steuern und mehr Bürokratie eintritt. Noch Tage später dachte ich darüber nach. Und wo denkt es sich am besten nach? Auf dem Velo natürlich.
An einem Montag (es war gerade Ruhetag beim Giro d’Italia, es wäre also eh nichts Gescheites im Fernsehen gekommen) stieg ich aufs Velo und fuhr nach Hagenbuch ZH. Denn dort leben Sie. Ich muss sagen: Der Weg ist gut ausgeschildert. Sogar die Querung der Stadt Winterthur verlief erstaunlich unkompliziert und geschmeidig. Und bald schon war ich in einem Premium-Gümmelergebiet, herrlich die Wiesen, die Wälder, rauf und runter ging es, ein Traum. In Hagenbuch ZH (1083 Menschen; 1047 Motorfahrzeuge; neun Swimmingpools) lebt es sich sicherlich prächtig. Zudem: Die Velowege dort sind top! Aber die braucht es auch, damit die Kinder sicher von den vielen Weilern in die Schule kommen. Doch Sie haben ganz recht: Wenn die Goofen einen sicheren Veloweg wollen, dann sollen sie ihn auch selber bezahlen. Verursacherprinzip! Müssen sie halt künftig das Sparschwein schlachten. Die Kinder geben das Geld ja für viel Dümmeres aus. Im Volg etwa, für Schleckzeugs. Und sogleich die Frage: Was ist eigentlich mit einer Zuckersteuer?
Apropos Geld: Sie waren es doch, die damals als Gemeindepräsidentin im «Blick» verkündete, Hagenbuch ZH müsse die Steuern erhöhen, wegen einer Flüchtlingsfamilie aus Eritrea, oder? Diese «Sozial-Irrsinn»-Kampagne in Kooperation mit dem «Blick» war Ihr Politkarriere-Booster. Die Eritreer zogen dann weg – und Sie in den Nationalrat. Aber die Steuern wurden trotzdem angehoben. Zudem sah ich auf Ihrer Homepage: Sie sind ein Velofreak! Per Rennvelotour haben Sie Wahlkampf betrieben, fuhren etwa im Rahmen von «SVP bi de Lüt» auf Ihrem BMC-Flitzer von Hagenbuch ZH ins Partei-Mekka Herrliberg. Ihr Wohnort ist eh ein Rennvelozentrum, denn einer Ihrer Bürger ist der Godi Schmutz, Legende und einstiger Widersacher von Beat Breu («Godi Schmutz, dä Sauhund»). Nur etwas bereitet mir Kopfzerbrechen: Sie möchten eine Abgabe pro Velo.
Ich hab mal nachgezählt. Ich besitze zehn Velos. Ich weiss, manche finden, das seien neun zu viel. Leidiges Thema. Dabei ist es doch so wie mit den Schuhen. Ich geh ja auch nicht mit den Skischuhen in die Disco. Doch könnte man nicht über eine Wechselnummer nachdenken? Sonst zahl ich ja für die Velos mehr Steuern als für mein Auto! Was mir auch noch aufgefallen ist: Es sind ja nicht nur Velos unterwegs auf den Velowegen. Was machen wir mit den Inlineskater: innen? Könnte man die nicht gleich verbieten? Und die, die im Sommer auf ihren Langlaufskiern mit Rädchen hecheln? Und die Wandervögel mit ihrem schweren Schuhwerk? Und wenn ich auf ein Einrad umstiege – würde sich die Steuer halbieren? Und wer kontrolliert das alles? Ach, Frau Schläpfer, Fragen über Fragen.
Nach schönen 120 Kilometern kam ich zurück. Und wissen Sie was? Je näher ich der Stadt Zürich kam, desto lausiger wurden die Velowege. Das Velonetz dort scheint aus der Römerzeit zu stammen. Oder von davor. Dabei ist Zürich doch steinreich. Am Geld alleine kann es also nicht liegen.