LIEBE STELLA MCCARTNEY
Sie sind Modedesignerin mit eigenem Label (welches zu 50 Prozent der Gucci-Gruppe gehörte, die zur Kering-Gruppe mutierte, bevor Sie Ihren Anteil zurückkauften und einen Deal mit dem Luxuskonzern LVMH abschlossen) und die Tochter von Paul Mc-Cartney (The Beatles). Entschuldigen Sie die Erwähnung Ihres Vaters. Das muss sicherlich nerven, immer auf seinen berühmten Papa angesprochen zu werden. Aber ich komme vom Land, dort ist das so: Man wird immer in Beziehung zu seinem Vater begrüsst («... jo lueg jetz do, das isch vom Chüng Otti dr Jüngscht...»).
Ich dachte an Sie, als ich im Jelmoli stand und neue Sneakers suchte, denn jene an meinen Füssen waren weniger Schuhwerk, eher eine Mischung aus Nachwinter-Murmeltierbauten und Schaukäserei-Erlebniswelten. Das hat zwar den Vorteil, dass man morgens seine Schuhe mit geschlossenen Augen findet, aber man muss ja auch an die Umwelt denken (die nähere: Mitmenschen, Haustiere etc.).
Eine Turnschuhabteilung zu betreten ist eine Erfahrung, die Eindrücke sind bezüglich Farben und Formen mannigfaltig. Man fühlt sich wie in einem Schaulager für ausserirdische Artefakte. Und da sah ich Ihren Namen, er stand gross auf einem ziemlich geschwürigen Modell von Adidas, was mich erstaunte, denn Ihr Name steht doch für nachhaltige Luxusmode, vegan und schweineteuer. Tier- und Erdenwohl ist Ihnen ein Anliegen. Ihre Instagram-Botschaften etwa sind rührende Aufrufe zur Besinnung und Besserung («Let’s all work together to try to love our planet, it’s the only one we have!).
Ich kann verstehen, dass jemand mit Hirn und Herz in der Modewelt dann und wann Verzweiflung verspürt, von schlechtem Gewissen überfallen wird sowie einem Bedürfnis nach Läuterung, schliesslich ist die Mode per Definition das Gegenteil von Nachhaltigkeit, fusst sie doch darauf, ständig Neues zu schaffen, um den Kunden zum Konsum zu bewegen, obwohl er eigentlich gar nichts Neues braucht. Das ist die Natur der Mode. Sie ist die bunt bemalte Speerspitze des Kapitalismus. So wundert es nicht, dass die heute reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen oft mit Mode machten (siehe Kolumne «Lieber Amancio Ortega», Magazin N° 48/2016*). Aber eben: Sie hüllen sich in das Gewand der Guten. Da passt für mich das Massen-Plastikgeschwür für 279 Franken (das Paar immerhin) irgendwie schlecht ins Bild. Schnell schaute ich nach, wo der Schuh produziert wird, war aber nicht überrascht, als ich den Absender «China» fand. Allerdings: Sie verwenden für Ihr veganes Adidas-Modell Ultraboost X 3D eine Faser, welche von der Firma Parley aus rezykliertem Ozeanmüll gewonnen wird. Auf den ersten Blick eine löbliche Sache, trotzdem sei die Frage erlaubt: Weshalb muss man das aus dem Meer gefischte und zu Fasern veredelte Plastik nach China schippern, um dort daraus billig Schuhe zu produzieren, die man wieder zurücktransportiert, um sie hier teuer zu verkaufen, damit sie dann irgendwann wieder im Ozean landen?
Parley (deren CEO auch als «Global Visionary» für die Grossbank UBS fungiert) produziert nicht nur textile Kunstfasern, sondern zusammen mit American Express eine Kreditkarte, welche aus den Weltmeeren entrissenem Plastikmüll hergestellt wird. Eine Kreditkarte aus Ozeanmüll! Wie sinnig. Damit man damit wieder neuen Müll bezahlen kann. Das ist echt die Quadratur des Kreislaufs.
Im Jelmoli übrigens entschied ich mich für ein Modell von New Balance. Ein schöner Schuh mit langlebiger Vibramsohle; und vor allem: «made in England». Der Schuh wird im nordenglischen Flimby gefertigt. Ein kleiner Ort mit langer Schuhmanufaktur-Tradition. Dank der New-Balance-Fabrik fanden Arbeiterinnen und Arbeiter wieder einen Job, den sie bei der Schliessung des Bata-Werks im benachbarten Maryport verloren hatten. Zudem ist der New Balance 72 Franken günstiger als der Ihrige aus teils Ökoplastik zwar, aber eben auch aus China. Ich glaube, ich werde ihn lange tragen. Für manche wohl zu lange.
Mit nachhaltigen Grüssen Max Küng
Song zum Thema: «Fashion» von David Bowie vom Album «Scary Monsters (And Super Creeps)», 1980.
* Falls Sie das Heft gerade nicht zur Hand haben: Man findet die Kolumne auch im Sammelband «Die Rettung der Dinge», Verlag Kein & Aber, Zürich.