ICH WAR SCHON EINMAL IN: ZOFINGEN AG
Die Kulturberichterstattung in den Medien ist verschwindend, sowohl in der digitalen Welt als auch traditionell auf Papier. Kultur scheint die Leute nicht mehr zu interessieren, was paradox ist, denn ebendiese Kultur ist ein Tourismusfaktor, lässt einen in fremde Städte reisen, seien diese gross wie Paris – oder klein wie Zofingen. Genauer brachte mich eine Ausstellung mit dem Titel «Video*kunst» ins Kunsthaus Zofingen (noch bis 18. Februar). Zu sehen sind Videowerke aus den letzten fünfunddreissig Jahren, allesamt von Frauen geschaffen, eine Reise lohnt sich, denn die Ausstellung ist meisterhaft kuratiert.
Und weil ich schon mal in Zofingen war, ging ich gleich noch ein Haus weiter, ins historische Museum, denn ich wusste: Über Zofingen wusste ich nichts. Dies ist einigermassen sonderbar, denn ich ging in Zofingen Anfang der Neunziger zwei Jahre zur Schule, in der alten Villa der Familie Ringier auf der Römerhalde. Dort war und ist die Ringier Journalistenschule untergebracht (feiert dieses Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag, Happy Birthday!).
Aber von Zofingen sahen wir damals bloss die Schule, den Bahnhof und abends den Ochsen und ein paar Gutteren Rioja, denn wir waren jung und schnöselig, sagten «Doofingen» statt «Zofingen» und schauten, dass wir nach Beizenschluss schnellstmöglich wieder wegkamen. Wir hatten keine Augen für etwa die Statue des Stadthelden Niklaus Thut, der in der Schlacht bei Sempach (9. Juli 1386) auf der Seite der Habsburger gegen die Eidgenossen kämpfte und fiel, die Fahne der Zofinger aber vor dem Feind rettete, indem er sie sich in den Mund schob und frass.
Das historische Museum zeigt nicht nur wunderbar altmodische Dioramen mit allerlei kreuchendem wie fleuchendem Getier, Vitrinen voller Gestein (Schrattenkalk, Augengneis, Radiolarienhornstein), den Stosszahn eines Narwals (2,66m) sowie in der Abteilung «Justiz» Spezialitäten der lokalen Strafverfolgung wie das Richtschwert oder die Halsgeige, sondern es hat noch zwei kleinere Museen integriert. Zum einen das Ringier-Museum («Ringgi + Zofi»), zum anderen das Zofingia-Museum. Die Zofingia ist eine Männer-Studentenverbindung, wo man gern Fantasieuniform trägt, auch Wichs genannt – ist also so etwas wie eine helvetische Version der kostümierten Discoburschenschaft Village People («Y.M.C.A»).
Die Zofingia ist ihrem Gründungsort Zofingen eng verbunden, was sich immer wieder in grosszügigen Geschenken ausdrückt, so spendiert die Bruderschaft etwa eine Glocke (1929) oder den Brunnen für den Stadthelden Niklaus Thut (1894). Dafür musste damals zwar die Statue der Justitia weichen, und aus dem Gerechtigkeitsplatz wurde der Niklaus-Thut-Platz, aber hey: Was ist schon eine Frau mit verbundenen Augen verglichen mit einem Stadthelden?!
Zudem gilt die über dem Brunnen stehende Statue von Thut als der Typ mit dem knackigsten Hintern im ganzen Wiggertal. Und wer sie je betrachtet hat, von hinten, der oder die weiss: Dieser Ruf kommt nicht von ungefähr. Stramm spannt sich der Po des lokalen Helden in seiner engen Freddie-Mercury-Hose unter dem Harnisch, und auch sein pralles Gemächt ist nicht zu übersehen. Ich bin kein Po-Profi, aber als ahnungsloser Amateur wage ich zu behaupten: Tuths Hinterteil ist imposant. Ein echter Rüebliländer-Pfirsich-Knackarsch!
Heute würde man erregt ausrufen: Sexualisierte Kleidung! So was ginge wohl nicht mehr für eine Skulptur im öffentlichen Raum. Aber damals war man eben noch locker drauf im Wiggertal.