ICH WAR NOCH NIEMALS IN Montana, USA
In Mesocco, einem Ort im Misox, gibt es ein Restaurant, mitten im Dorf, es heisst Beer. Und immer wenn ich dort bin, bestelle ich zur Vorspeise dasselbe, nämlich den «Insalata Cowboy», bestehend aus gekochten Bohnen und rohen Zwiebeln. Nun verwandelt man sich durch den Konsum dieses deftigen Salats nicht stante pede in einen Cowboy, sondern bloss mit etwas Verzögerung in ein Einmann-Blasmusikorchester, welches für eine Weile von allen grossräumig gemieden wird. Trotzdem liebe ich diesen Salat, denn schon als Kind ass ich Bohnen und Zwiebeln (und auch noch Speck), um mich als Cowboy zu fühlen.
Und so passte dieses robuste Gericht perfekt in die letzten Wochen, da ich in den Ferien mehr oder weniger am Stück mir die drei derzeit verfügbaren Staffeln einer TV-Serie zuführte, die «Yellowstone» heisst und von einem zeitgenössischen Cowboy-Dasein handelt (in der Hauptrolle: Kevin Costner). Die Geschichten, die in «Yellowstone» erzählt werden, sind packend, teils etwas rührselig, teils etwas brutal, aber vor allem: Diese Landschaft! Diese unglaubliche Landschaft! Die Serie «Yellowstone» spielt im US-Bundesstaat Montana, der bekanntlich ziemlich gross ist (genauer ist er so gross wie Deutschland plus einmal die halbe Schweiz plus das Tessin), zählt aber nicht viel mehr als eine Million Einwohner – was bedeutet, dass dort recht viel Natur zu finden ist. Natur, an der man sich kaum sattsehen kann. Nicht von ungefähr nennt man Montana auch «Big Sky Country», «Land of the Shining Mountains» oder «The Last Best Place».
Zwar können Geimpfte ab Montag wieder in die USA einreisen, Montana wäre also eine Feriendestination, doch fühle ich mich der Umwelt zuliebe der heimischen Natur verpflichtet, die ja auch mit einer gewissen Schönheit und Einsamkeit aufwarten kann (Beispiel: Das eingangs erwähnte Misox mit seinem mannigfaltigen Waldreichtum, etwa dem Schneesimsen-Winterlindenwald mit Schwingel oder dem Rapunzel-Kastanienwald mit Heidelbeere).
Wem jedoch der Sinn nach noch mehr Landschaft steht, nach der Weite und der Freiheit à la Montana, nach rauschenden Wasserfällen und Seen glatt wie Spiegel oder nach Wäldern in ihrer verträumtesten Gestalt, die oder der sollte nach Luzern reisen. Denn erstmals im deutschsprachigen Raum überhaupt zeigt das Museum Bellpark in seiner Innenstadt-Dependance Originalwerke von Bob Ross, jenem 1995 verstorbenen Künstler, der dank seiner TV-Malsendung «The Joy of Painting» zum globalen Phänomen wurde und dessen Wirken bis heute nachhallt, die Menschen erfreut.
Die Botschaft des Mannes mit der markanten Afro-Frisur und einer Stimme mit Tranquilizer-Qualität, sie ist simpel: Jede und jeder kann ein Bild malen. Es ist ganz einfach. Man muss es bloss versuchen. In siebenundzwanzig Minuten ist es vollbracht. So wie er es in seiner TV-Sendung vormachte. Und wenn auf der Leinwand mal etwas schieflief, dann sagte der gütige Meister lächelnd und voller Zuversicht: «Uns passieren keine Fehler, nur kleine, glückliche Unfälle.» Und flugs wurde aus dem vermeintlichen Patzer mit ein, zwei Pinselstrichen ein Baum, ein Strauch, ein Wasserfall.
Bob Ross’ Bilder (eins davon hier links) verwandeln uns Betrachtende ebenso wenig in einen Cowboy wie der Verzehr des eingangs erwähnten Bohnen-Zwiebel-Salats oder das Binge-Watching von «Yellowstone». Doch entlocken seine Werke uns ein Lächeln. Es sind Seelenlandschaften, die Bob Ross malte. Ja, es ist beim Betrachten seiner Bilder so, als reite man geistig in den Sonnenaufgang in sich selbst – oder den Sonnenuntergang. Je nachdem. Als einsamer Cowboy, als einsames Cowgirl, oder einfach als der Mensch, der man ist.
«Yellowstone» ist bei uns auf dem Bezahlsender Sky zu sehen. Die vierte Staffel der Serie nach einer Idee von Taylor Sheridan («Hell or High Water») startet in den USA morgen Sonntag, 7. November
«Bob Ross at home»: Denkmalstrasse 15, Luzern, bis 2. Januar 2022, mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr
Auf Netflix findet man die erhellende Dokumentation «Bob Ross: Glückliche Unfälle, Betrug und Gier»