FESTANSTELLUNG, ENDLICH
Vor langer Zeit, es war noch im alten Jahrtausend, wurde ich von einer Firma angestellt, die im Computerbereich Dienstleistungen erbrachte. Es war da schon ein Weilchen her gewesen, seit ich das letzte Mal in einer festen Struktur einer geregelten Arbeit nachgegangen war, denn ich schätzte die Freiheit und die mit ihr verbundenen Möglichkeiten – vor allem jene, gewisse Dinge nicht tun zu müssen. Doch dann kam ich zum Schluss, dass so ein bisschen Struktur vielleicht mal wieder ganz guttäte, zudem lockte ein Salär, welches vor allem wegen seiner Regelmässigkeit den Rationalisten in mir überzeugte.
Am ersten Arbeitstag bekam ich einen Schreibtisch zugewiesen, das Büro in bester Lage war gross und hell, mit Computer samt Maus und allem drum und dran. Keine Ahnung mehr, was meine konkreten Aufgaben waren, irgendwas mit Computern eben. Der Chef der Firma hatte mich angestellt, weil er mich sympathisch fand und ich ihm erzählt hatte, ich hätte eine Ausbildung in COBOL-II, einer Programmiersprache, die man heute gerne als «Grossmutter» bezeichnet, weil sie damals schon einen Bart hatte. Ich weiss nicht, ob ich dem damaligen Chef auch sagte, dass ich die Ausbildung nach zwei Jahren abgebrochen hatte, weil entweder die Sache zu intelligent oder ich zu dumm gewesen war. Vielleicht hatte ich dies zu erwähnen vergessen.
Aber ich war motiviert! Legte mich am ersten Tag voll ins Zeug. Sortierte die Kugelschreiber auf meinem Schreibtisch. Stellte den Stuhl mit den Rädchen untendran perfekt ein. Putzte das Whiteboard, bis es so strahlte, dass man nur noch mit Sonnenbrille den Raum betreten konnte. Und ja, ich bekam wohl auch eine Aufgabe zugeteilt, hatte aber ein Problem, denn nach dem Mittagessen startete die TV-Übertragung der Tour de France. Und ich wusste: Arbeit kann man immer erledigen, die Tour de France aber kommt dann, wenn sie kommt. Sie ist unumgänglich. Also studierte ich auf meinem Computer keine Zahlen und Tabellen, sondern wie sich Männer in engen Kleidern über Berge quälten. Mein Chef reckte seinen Kopf in mein Büro, wahrscheinlich aufgeschreckt durch einen Ausruf meinerseits, denn Tour de France im TV kann man natürlich nicht schauen, ohne dann und wann in die Hände zu klatschen und Anfeuerungsrufe auszustossen, salvenartig, une douzaine, obwohl man ja weiss, dass die Rennfahrer die nicht hören können. Der Blick des Chefs war garniert von Stirnrunzeln. Er fragte, was ich da tue. Ich sagte, ich würde arbeiten, und zwar nach meinem System. Denn ich konnte schon immer besser denken, wenn ich während dieses Prozesses fernsah.
Erfüllt und beglückt von einem ereignisreichen ersten Arbeitstag ging ich nach Feierabend nach Hause. Am zweiten Tag dehnte sich die Zeit. Ich verbog ein paar Büroklammern, und eine lange Weile überbrückte ich mit Tetris, spielte, bis die Tetrominos auch dann noch fielen, als ich mit geschlossenen Augen auf dem Klo sass. Dann kam schon wieder Tour de France – und der Kopf des Chefs mit Stirnrunzelgarnitur.
Auch tags darauf gab ich mir, was ich hatte: Mühe. Doch je näher der Mittag kam, desto klarer wurde, was zu tun war. Ich ging ins Büro des Chefs und teilte ihm mit – nicht ohne leise Zerknirschtheit –, dass unser Arbeitsverhältnis wohl ein Fehler gewesen sei. Er machte keine Anstalten, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Keine drei Tage nach meiner Anstellung kam ich also wieder auf freien Fuss. Pfeifend verliess ich das Bürohaus, gerade rechtzeitig zum Übertragungsstart der Tour de France war ich zu Hause.