• Juli 2017

Lieber Justin Bieber

Mein Skoda mit einem grossen (in gewissen Kreisen sehr bekannten) Mann (der aber nix mit der Kolumne zu tun hat).

etwas seltsam, Ihnen zu schreiben, denn wir kennen uns ja nicht, ich kenne noch nicht einmal Ihre Musik, bloss Ihr Gesicht, das jung aussieht, so jung, als wären Sie noch gar nicht geboren. Aber ein Mann schrieb mir. Er beklagte sich über den Umstand, dass ich an dieser Stelle nur Briefe an SVP-Politiker verfassen würde, und zwar immerzu mit dem einen Grund bloss, um diese nämlich durch den Kakao zu ziehen und zu verunglimpfen. Nun, er schrieb nicht «verunglimpfen», sondern benutzte ein anderes Wort, welches ich hier aber nicht wiederholen möchte, denn ich weiss, auch Kinder lesen diese Kolumne.

Tatsächlich kam es zu einer gewissen Ballung von Post an Politiker, welche zufälligerweise der SVP angehören, ob jene Ballung jedoch als signifikant zu bezeichnen ist, dies lässt sich wissenschaftlich nicht erhärten. Ich denke, es gehört in den grossen Steingutkrug mit der verschnörkelten Aufschrift «Zufälle». Und übrigens habe ich an dieser Stelle auch schon mal einen Brief an eine Frau von den Juso Schweiz geschrieben, welche nackt auf einem Plakat posierte, welches mit Kabelbinder an einer dürren Birke auf der Hundeversäuberungswiese vis-à-vis meiner Wohnung hing – und zwar noch Monate nach der Wahl, für welche das Plakat erfolglos geworben hatte. Ich schrieb ihr, sie solle das Plakat holen, da ich das Gefühl hätte, die Hunde fühlten sich bei der Verrichtung ihrer Notdurft gestört. Was ich auch noch sagen möchte: Ich schreibe ja rechts, also mit der rechten Hand, trage die Uhr rechts, hantiere mit der Gabel rechts, bin also recht extrem in dieser Beziehung, weil: Im Turnen in der Sekundarschule in Gelterkinden stürzte ich am Reck so unglücklich auf meine linke Schulter, dass der Arm brach und lange in Gips lag. Das war das Ende meiner Kunstturnerkarriere und der Anfang meiner Rechtslastigkeit.

Und einmal schrieb ich Gott. Gott ist sicher kein SVP-Mitglied. Also, ich weiss nicht, ob Gott links ist oder rechts, manchmal kommt es mir vor, er verhalte sich diesbezüglich wie ein Autolenker mit 6,66 Promille intus, aber eben: Ich dachte also, ich schreibe mal sicher keinem SVP-Politiker, sondern Ihnen, weil Sie gerade durch unser Land reisten, von Biberist über Bibern nach Biberbrugg.

Apropos Autolenker. Im Fernsehen kam eine Sendung zum Thema Zukunft des Autofahrens. Nun ist es so, dass die beiden Begriffe «Zukunft» und «Automobil» sich ähnlich verhalten wie Laurel und Hardy; irgendwo habe ich noch einen Artikel aus einer Autozeitschrift herumliegen, in der angekündigt wird, dass der Durchbruch von Elektroautos unmittelbar bevorstehe, es könne nur noch Wochen, höchstens ein paar Monate dauern – der Artikel erschien im Jahr 1982. Nun, in der Fernsehsendung sagte eine Zukunftsforscherin mit Ernsthaftigkeit im Gesicht, dass wir im Jahr 2030 keine eigenen Autos mehr besitzen würden. Es gebe dann bloss noch geteilte und autonom fahrende Vehikel. Das ist einerseits eine schöne Idee, allerdings auch ziemlich beängstigend, denn viele Menschen definieren sich über ihr Auto. So auch ich. Mit meinem Škoda Superb Combi kann ich der Welt zeigen, dass ich ein vernünftiger, sparsamer, mittelmässiger Mittelständler bin – auch die Farbwahl (Schwarz) zeichnet mich als nicht verhaltensauffällig kreativ aus, der Allradantrieb verweist auf meine ruralen Wurzeln.

Gibt es Autos nicht mehr als Privatbesitz und folglich als Möglichkeit des Ausdrucks von Status und Persönlichkeit, dann haben so manche Menschen ihre Probleme, sich mitzuteilen. Was wären die Folgen? Herr Bieber, ich habe im Internet nachgeschaut. Sie fahren ziemlich witzige Autos. Einen schwarzen Range Rover. Einen schwarzen Porsche 997. Einen schwarzen Ferrari F430. Einen verchromten Fisker Karma. Einen gelben Lamborghini Gallardo. Einen weissen Ferrari 458. Und so weiter. Wenn die Zukunftsforscherin recht haben wird, was machen Sie dann im Jahr 2030? Und was tun alle anderen? Wie wird dann ein heutiger Besitzer eines Subaru Impreza WRX 2.5 STI mit goldfarbenen Felgen mit seinen Mitmenschen kommunizieren?

Die Zukunft wird auf jeden Fall spannend. Ich freu mich drauf!

Gruss, Max Küng


PS: Song zum Thema: «Cars» von Gary Numan vom Album «The Pleasure Principle», 1979.