AUF DER AUTOBAHN
Seinen Namen kann man sich nicht aussuchen. Sein Hobby aber schon. Im Falle von Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg ist es das Sammeln. Nun kann man viele Dinge sammeln. Jemand sammelt beispielsweise Schallplatten. Dies aber ist unvorteilhaft, da raumgreifend, zudem nicht besonders originell. Trifft ein Single-Schallplattensammler auf Partnersuche jemanden in einer Bar und erwähnt in der Anbaggerrede seine Leidenschaft, kann es sein, dass das Gegenüber aufsteht, den Mantel nimmt und wortlos geht. Will man in seinem Umfeld (und eventuell sogar darüber hinaus) Interesse wecken, sollte es schon ein nischigeres Freizeitvergnügen sein. Pizzakartons sammeln beispielsweise (vorteilhafterweise unterschiedliche und leere) oder sprechende Uhren. Ein Australier namens Graham Barker etwa sammelt seit 1984 seine Bauchnabelfussel – mit dieser imposanten und in Einmachgläsern gelagerten Kollektion schaffte er im Jahr 2010 den Eintrag ins «Guinness-Buch der Rekorde». Das Bauchnabelfussel-Sammeln ist auch wahrlich eine schöne Passion: exotisch, aber trotzdem sensationell kostengünstig, platzsparend und wenig zeitraubend. In das Rekordbuch schaffte es auch Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg. Er sammelt Kilometer. Genauer sind es mit dem Auto zurückgelegte Kilometer. Noch genauer solche mit einem Elektrofahrzeug, einem Tesla. Niemand hat so viele wie er.
Ein Tag von Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg sieht so aus: Am Morgen packt er das von seiner Frau zubereitete Mittagessen ein, dann fährt er los…und fährt…und fährt…und fährt. Dazwischen wird der Tesla geladen. Abends kommt er wieder heim, wenn er nicht in einem Hotel schläft. Am nächsten Morgen gehts wieder los. Das macht Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg seit 2014, als er sich im August einen gebrauchten Tesla kaufte, Model S, schlaffe 30’000 Kilometer auf dem Tacho. Da dachte er bei sich, es sollte doch möglich sein, eine Million Kilometer mit dem Wagen zurückzulegen. Fünf Jahre später war das Ziel erreicht. Der Eintrag ins Rekordbuch geschafft. Daraufhin dachte er: Zwei Millionen Kilometer sollten auch möglich sein. Also fuhr er fort fortzufahren. Mittlerweile hat sein Tesla über 1,7 Millionen Kilometer auf dem Tacho. Der Motor musste wegen Defekten zwar bereits zwölfmal getauscht werden – was allerdings kein Problem darstellte, wenigstens nicht für Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg, denn er hatte klugerweise den Tesla mit acht Jahren Garantie ohne Kilometerbegrenzung erstanden. Damit die Sache nicht zu langweilig wird, stellte er sich dann und wann Aufgaben. Ein Jahr lang etwa fuhr er nie schneller als 90 km/h, um möglichst wenig Strom zu verbrauchen.
1,7 Millionen Kilometer seit August 2014: Dies entspricht 558 Kilometern pro Tag, wenn man täglich fahren würde. Es gibt aber auch Tage, an denen Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg seinen Wagen mal stehen lässt. Denn er hat noch eine andere Leidenschaft: das Sammeln von Beeren und Wildkräutern. Aber dann heisst es wieder: ab in den Tesla und losgebraust. Oder wie es bei der Band Kraftwerk in dem 22-Minuten-42-Sekunden-Song «Autobahn» heisst: «Vor uns liegt ein weites Tal/Die Sonne scheint mit Glitzerstrahl/Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn/Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn/Die Fahrbahn ist ein graues Band/ Weisse Streifen, grüner Rand/Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn/Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn.» Und so weiter. Und so fort.