• Januar 2022

ACHTUNG, DIES IST EINE 2G-KOLUMNE!

Doch dazu später mehr, erst noch dies: Eigentlich ist «eigentlich» kein gutes Wort. Vor allem nicht, um damit einen Satz zu beginnen. Denn beim Wort «eigentlich» schwingt eine Ambivalenz mit, eine Halbherzigkeit. «Eigentlich» ist eigentlich ein sehr schweizerisches Wort.

Eigentlich wollte ich hier von einem Menschen berichten, der sich nicht gegen Corona impfen lassen will und den ich deshalb meide, was für mein wie auch für sein Leben Konsequenzen hat, wenn auch unterschiedlicher Natur. Gern würde ich die genauen Umstände erklären, doch dann würde er sich beim Lesen vielleicht wiedererkennen, und sein Umfeld würde ihn eventuell ebenfalls ausmachen, egal wie camoufliert ich es auch formuliere. Also schweige ich und schone ihn in seiner Impfignoranz. Aber ich frage mich: Weshalb eigentlich? Weshalb sind wir Geimpften so nachsichtig mit denen, die sich doch eigentlich undemokratisch und unsolidarisch verhalten?

Im Tram sass einer ohne Maske, aber mit kokett gerecktem Kinn und Suchscheinwerferblick, scheinbar nur darauf hoffend, dass jemand ihn anspricht, ihn nach dem Warum fragt. Ich tat es nicht, sondern wandte meinen Blick ab. Weshalb sprach ich ihn nicht an? «Weil es nichts bringt», sagte ich mir sogleich mit gelangweilter innerer Stimme. Weil ich mich nicht auf schwachsinnige Diskussionen einlassen will. Weil gegen Dummheit kein Kraut gewachsen ist. Doch schien mir, dass meine Antwort auf meine mir selbst gestellte Frage etwas flott kam.

Ist das Wegsehen, das Schweigen nicht eher eine als Faulheit verkleidete Feigheit? Und so ärgerte ich mich über den Typen, aber ich ärgerte mich auch über mich selbst, da ich still blieb – und vor allem ärgerte ich mich darüber, dass ich mich überhaupt ärgerte.

Im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» sprach sich der deutsche Philosoph Markus Gabriel für eine Impfpflicht aus. Eines der Argumente, das für eine Impfpflicht spreche: Sie entlaste die Gesellschaft, denn die Regeln würden klar und somit könnten Diskussionen über Dinge enden, die nicht Gegenstand einer ernst zu nehmenden Diskussion sein sollten. Zähe Diskussionen, derer ich müde bin. So müde. Zudem finde ich: Käme die Pflicht, wäre sie auch für ihre Gegner attraktiv, denn deren Widerstand erschiene noch widerborstiger, und ihr bös funkelnder Narzissmus glänzte umso mehr. Win-win at its best!

Auch eine andere Geschichte kann ich hier leider nicht erzählen. Eine Geschichte, die eigentlich absurd-lustig wäre, wäre sie nicht so endlos traurig, berichtet sie doch von der derzeitigen Spaltung unserer Gesellschaft in ihrer kleinsten Zelle: der Familie. Die Geschichte handelt von einem, der mir erzählte, dass seine Frau Impfgegnerin sei und nicht mehr mit ihm schlafe, seit er sich habe impfen lassen. Denn durch die Vakzination seien seine Körpersäfte kontaminiert. Er würde ihrer Logik folgend durch Beischlaf sie quasi impfen. Und Kondome lehne sie ab. Die seien per se unnatürlich, da Masken für den Pimmel. Auch diese Geschichte bleibt unerzählt. Der Samthandschuhe wegen. Vielleicht wäre es aber so langsam an der Zeit, die Samthandschuhe abzustreifen. Eigentlich schon, oder?

PS: Eingangs erwähnte ich, dies sei eine 2G-Kolumne. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, hier angelangt sind, dann ist dem in der Tat so. 2G: geschrieben und gelesen.